Dienstag, 8. Februar 2011

The Great Big Nothing

Das leben in der Stadt hat seine Vorteile.

Man kann seine Einkäufe zu Fuß erledigen (und das beinah 24 Stunden am Tag), sich kurz vor Filmbeginn entschließen ins Kino zu gehen und sich Pizza und Sushi nach Hause liefern lassen.

So lebten wir also eine zeitlang sehr gerne Downtown. Schließlich passte das alles zu dem Bild, das wir von uns hatten.

Wir taten genau das, was alle erfolgreichen, jungen, smarten und metropolitischen Leute tun. (schließlich haben wir sämtliche Sex-and-the-City-Folgen gesehen....)  ;-)

Wir tranken unseren Kaffee im Laufen aus Pappbechern unseres Lieblings-Coffeeshops, holten unser Essen auf dem Nachhauseweg aus der Salatbar um die Ecke und verbrachten endlose Zeit damit, einen Parkplatz zu finden. (Nachdem wir vorher eine endlose Zeit im Stau verbracht hatten, weil die Straßen verstopft waren mit Leuten, die ihr Essen aus der Salatbar holen und einen Parkplatz finden wollten.)

Wir verbrachten Tage damit, die richtige Welpengruppe für Sam zu finden (das war wirklich schwierig, schließlich wollten wir auf der Hundewiese ehrfurchtsvolle Sätze wie "Ihr habt einen Platz in dieser Hundeschule bekommen" hören).

Wir schleppten stolz (teuer bezahlte) Papiertüten der In-Läden durch die Gegend und zahlten Unsummen für einen Haarschnitt.

Wir hatten keine Ahnung, wer im Haus neben uns wohnte und wollten es auch eigentlich nicht wissen. Schließlich bezahlten wir viel Geld dafür, in Ruhe gelassen zu werden.

Wir gingen in Stadtparks spazieren und unser ganzes Glück war ein gepflasterter Hinterhof in dem wir ein paar Kübel mit Sommerblumen hatten. (und in dem wir die Gartenstühle mit einer Eisenkette und einem großen Schloß sichern mußten, weil sie sonst geklaut wurden)

Es war eine gute Zeit, sie passte zu uns und unserem Leben.

Irgendwann müssen wir aus diesem Leben herausgewachsen sein. Es fing ganz harmlos an. (Wir ließen unseren Strandurlaub im 5-Sterne-Hotel ausfallen und machten eine Gartenreise durch Südengland.)

Wir verbrachten mehr Zeit damit, mit Sam auf`s Land zu fahren und dort spazieren zu gehen, als durch Geschäfte zu bummeln.


Wir waren immer genervter von der Umtriebigeit und dem Lärm der Stadt. 


Wir träumten von Ruhe und Natur und davon im Schlafanzug zum Briefkasten gehen zu können.

Eine zeitlang belächelten wir diese Gedanken und verschoben sie auf die Zeit, in der wir mal alt genug sind, um so zu leben.

Wir kämpften wirklich hart um das Bild von uns, das wir so gerne aufrecht erhalten wollten.

Das waren doch nicht wir. Auf  g a r  keinen Fall.

Und dann überschlugen sich die Ereignisse und wir waren machtlos.

Wir fanden dieses Haus durch Zufall (in Wirklichkeit denken wir, daß es keine Zufälle gibt und das Haus uns fand), alles schien sich wie von alleine zu entwickeln und plötzlich saßen wir mit 100 gepackten Kartons in einer leeren Wohnung und warteten auf das Umzugsunternehmen.

(In Wirklichkeit hat das Ganze natürlich ein paar Wochen und jede Menge Organisationstalent gefordert...)

So saßen wir an dem Umzugsabend in dem mit Kartons und Möbeln und Dingen vollgestopften Haus in unseren Sesseln. Müde und glücklich und fassungslos und bestaunten die Stille.

Wir nannten es liebevoll "Das großartige Nichts".

Es ist unglaublich, wie man sich an den Lärm und die Hektik gewöhnt. Wir hatten die Befürchtung, vor lauter Stille nicht schlafen zu können.

(Ich suchte im Internet nach einer CD mit New-York-Alltagsgeräuschen, für alle Fälle...)

Es ist unglaublich, wie schnell man sich an die Stille und den Frieden des Landes gewöhnt.

Noch immer empfinden wir es als Privileg nichts zu hören, außer dem Zwitschern der Vögel und dem Rascheln der Blätter im Wind.

(Ich fürchte für den nächsten Stadturlaub brauchen wir eine CD mit Geräuschen-aus-der-Natur)

Wir sind überwältigt von den Farben, den Gerüchen und der Weite.

Es ist unglaublich, daß ich vergessen habe, wieviele Sterne am Himmel zu sehen sind, wenn es wirklich dunkel ist. (In der Stadt ist es eigentlich immer taghell.)


Nun stellen wir unseren Nachbarn (die wir alle kennen und mögen und mit denen uns die gleiche Vergangenheit verbindet) selbstgemachtes Chutney vor die Tür und tauschen Sonntags Teller mit frisch gebackenen Kuchenstücken.

(und verbringen unsere Zeit damit, einen glücklichen, aber völlig verdreckten Hund zu säubern und ihn ab und zu an die Leine zu nehmen, damit er nicht alles vergisst, was er in der Unglaublich-dass-ihr-dort-einen-Platz-bekommen-habt-Hundeschule gelernt hat.)


Wir kochen unser Essen aus frischen Zutaten, die wir in kleinen Landläden kaufen und trinken unseren Kaffee im Sitzen aus Porzellantassen. (Ich würde sterben für einen Becher Doubleshoot Latte Macciato mit Caramel Flavor und fettarmer Milch in Grande Size...)


Wir haben das Gefühl nach einer langen Reise erschöpft zuhause angekommen zu sein. Vielleicht wird es eine Zeit geben, in der uns die Abenteuerlust packt und wir uns etwas weniger dieses großartigen Nichts wünschen. (so wie es uns ein paar unserer Freunde vorrausgesagt haben....)


Wir nehmen die Dinge so, wie sie uns angeboten werden und vertrauen darauf, daß das Richtige zur richtigen Zeit kommt.


Und darauf, daß wir die Weisheit haben werden, es zu erkennen.

4 Kommentare:

  1. Danke - wieder so schöne Worte!

    "...Vielleicht wird es eine Zeit geben, in der uns die Abenteuerlust packt und wir uns etwas weniger dieses großartigen Nichts wünschen. (so wie es uns ein paar unserer Freunde vorrausgesagt haben....)"

    Das glaube ich mal nicht.
    3 Tage Großstadt - manchmal nur 3 Stunden und ich bin so pflasterlahm - sehne mich nur noch nach matschigen, naturweichem Boden unter den Füßen.
    Aber ich klebe ja auch an meiner Scholle. ;-)

    LG Jutta

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  2. guten morgen lieber markus,
    du sprichst mir aus der seele.
    mittlerweile verzichte ich sogar auf das *einmal-im-monat-in-die-große-stadt-fahren* - ich brauchs einfach nicht mehr.
    schön, dass ihr angekommen seid!
    habt eine schöne woche.
    mit herzlichen grüßen, elvi

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  3. Hallo Markus,

    Kreativität braucht Raum, davon gibts auf dem Land einfach mehr :-)

    Ich wünsch Dir einen schönen Abend.

    Liebe Grüße
    Gesche

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  4. Vielen Dank!

    Es ist beruhigend, mit diesen Stadtgefühlen nicht alleine zu sein und wirklich erstaunlich zu lesen, wievielen Leuten es genauso ging. Danke für die vielen Emails, die mich sehr gefreut und amüsiert haben!

    Liebe Grüße,
    Markus

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