Mittwoch, 16. Februar 2011

It`s a Dad`s World

Ich erinnere mich an einen frühen Morgen im Sommer, ich war noch ein Kind und mein Vater weckte mich zeitig, um in den Wald zu gehen. Das machten wir manchmal. 

Ganz früh, fast war es noch Nacht, zogen wir uns dicke Jacken an und suchten uns einen Hochsitz, um vielleicht ein Reh oder einen Hasen zu beobachten.

Er lehrte mich die Spuren der Tiere im Wald zu lesen, die Namen der Bäume zu kennen und erzählte mir viel über die Waldbewohner. (Unter anderem auch, daß man einen Hasen fangen kann, indem man ihm Salz auf das Schwänzchen streut, wartet bis er das Salz ableckt und dann beherzt zupackt....so kam es, daß ich lange Zeit mit Salzstreuer im Wald unterwegs war)


Ich erinnere mich an zahllose Nachmittage, an denen wir Spuren legten, die unsere Hunde finden sollten. An denen wir versuchten einer Rasselbande Welpen so etwas wie eine Grunderziehung angedeihen zu lassen.

Er legte mir einen Welpen in den Arm und zeigte mir, was es heißt Verantwortung zu übernehmen für ein hilfloses Wesen. Den ganzen Tag lang. Jeden Tag. Egal, wie schlecht das Wetter ist.

Er fuhr mit mir zum Tierarzt, als es an der Zeit war, Abschied zu nehmen und gab mir die Kraft, dabei zu bleiben, meinen Freund in dieser Stunde nicht alleine zu lassen. Ihn im Arm zu halten. 

Alles was ich über Verantwortung und Treue und Stärke weiß, lernte ich dort.

Ich erinnere mich an heftige Wortgefechte, so wie es sein muß, wenn die Jungen anfangen, ihren Weg zu gehen. Wir stritten und schwiegen und waren so oft anderer Meinung.

Er ließ mich meinen Weg gehen, auch wenn es nicht der war, den er sich für mich gewünscht hatte. Er ließ mir die Wahl, lehrte mich, selbst zu entscheiden mit allem was daraus folgt. So begriff ich, was Selbstbestimmung heißt.

Ich erinnere mich an wochenlange Urlaube im Wohnwagen.Wir fuhren einfach los, der Sonne entgegen, blieben wo es uns gefiel und fuhren weiter, wenn wir es wollten. Wir hatten Spaß und lachten und spielten und erlebten unsere Abenteuer.

Wir waren alle zusammen und es waren glückliche Zeiten. So lernte ich die Welt kennen und mich zurechtzufinden, auch wenn ich ein Fremder bin.

Ich erinnere mich daran, daß er versuchte mir beizubringen, wie man ein Auto repariert, wie man aus Steinen ein Haus baut und einen Ball ins Tor schießt.

Er versuchte es wirklich lang und ließ mich schließlich die Dinge machen, für die ich mehr Talent hatte.

So lernte ich, meine Ziele zu verfolgen, mich nicht abbringen zu lassen, von den Dingen, die ich mag.

Ich erinnere mich daran, daß er mich durch die Gegend fuhr, und abends aus der Disco abholte, weil ich das Geld für den Bus verschleudert hatte.

Er stand Mitten in der Nacht auf, damit ich mich nicht an die Straße stellte und trampte. (Was damals üblich war und noch nicht so gefährlich wie heute)

So lernte ich, was Sich-um-jemand-sorgen ist.




Ich erinnere mich, wie er mich ins Krankenhaus trug, als ich klein und krank war. Wie er an meinem Bett saß und auf mich aufpasste.

So lernte ich, was Fürsorge ist.

Ich erinnere mich daran, daß er mich gehen ließ, als ich nicht bleiben wollte. Daran, daß er mich nach Hause kommen ließ, als ich Heimweh hatte.

Daran, daß er nicht fragte, was ich nicht beantworten konnte und zuhörte, auch wenn ich nichts sagte.

So lernte ich, was Zuhause heißt.

Ich erinnere mich daran, daß er mich machen ließ, wozu ich mich entschlossen hatte. Er zeigte mir, wie man die Dinge zu einem Ende bringt, ohne sich beeindrucken zu lassen von Schwierigkeiten und Launen.

So lernte ich durchzuhalten und nicht aufzugeben.

Ich erinnere mich, wie er mir beibrachte die Natur zu respektieren. Mit den Zeiten zu leben und friedvoll zu sein.

Ich lernte, daß der sanfte Weg oft der bessere ist und es auf das Gesamte ankommt.

So lernte ich die Sehnsucht nach Frieden.

Ich erinnere mich an die Geschichten, die er für mich erfand, als ich klein war. Ich konnte nicht genug davon bekommen. Den ganzen Tag. Jeden Tag.

Jede Geschichte war anders und neu und nur für mich erzählt.

So lernte ich phantasievoll zu sein.

Ich erinnere mich, wie er mit seinen Schwächen umging, als er am Boden war. Wie er immer wieder aufstand und weitermachte und nie aufgab.

Wie er festhielt an den Dingen, die eine Bedeutung für ihn hatten und den Menschen.

So lernte ich meine Schwächen als Stärken zu sehen.

 Ich erinnere mich an einen frühen Morgen im Sommer. Ich war noch ein Kind und die Welt lag zu meinen Füßen und der Weg schien weit und das Leben unendlich.

Nun bin ich ein schönes Stück gegangen, habe die Welt erkundet und meine Erfahrungen gemacht.

Ich erinnere mich an einen frühen Morgen im Sommer. Als ich alles lernte, was ich für`s Leben wirklich brauchte.

(Man lernt ja nie aus, und so mußte er erst letzten Sonntag lernen, daß ich wohl niemals auf 2 Fingern pfeiffen kann, egal wie oft er es mir zeigt...)

2 Kommentare:

  1. Hallo Lieber Markus,

    schön, daß ihr euch bei allen Unterschieden nie aufgegeben habt...

    Liebe Grüße
    Gesche

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  2. lieber markus,
    ich bin so gut wie im wald aufgewachsen und deine geschichte hat in mir alte erinnerungen geweckt, die mich die ganze woche begleitet haben ... vielen dank dafür, dass du uns an so etwas ganz persönlichem teilhaben lässt und es aus diesem ganz berstimmten blickwinkel beschrieben hast.
    es hat mich sehr berührt und es ist schön, eine geschichte zu haben!
    herzliche grüße, elvi

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