Freitag, 25. März 2011

Stadt, Land, Wald...

Vor (so kommt es mir jedenfalls vor) langer Zeit, als wir noch in der Stadt wohnten, machte ich eine Liste mit Dingen, die ich in meinem Urlaub (den wir Zuhause verbrachten) machen wollte: alle Kaffeesorten in meinem Lieblings-Coffee-Shop probieren, im Botanischen Garten sitzen und ein Buch lesen, in der Stadtbücherei nach alten Schätzen graben, nach Designer-Schnäppchen suchen, meinen Kleiderschrank ausmisten und einen Tag im Wald verbringen.

Die Liste hängte ich an den Kühlschrank und arbeitete mich von Tag zu Tag weiter nach unten vor. Und schließlich kam er: Der Tag im Wald.

Ich war gut vorbereitet. Also packte ich meinen Proviant (ein Chicken Teriyaki Sandwich aus der Feinkostabteilung, eine kleine Flasche Volvic Natur, ein Snickers und mein Handy) in meine Tasche (Esprit), den Hund ins Auto und los ging`s. 



Nach ein paar Blocks wurde mir klar, daß ich nicht so sicher war, wo sich der nächste Wald befand, aber ich würde ihn schon finden. (Schließlich habe ich vor vielen, vielen Jahren Krk gefunden und das völlig ohne Straßenkarte oder anderweitige Hilfe, alleine durch Immer-geradeaus-fahren!)  

Ich trug eine Wachsjacke (extra für diesen Tag gekauft und danach nie wieder angezogen), ein farblich passendes Polo-Hemd, Jeans (Levis) und ein paar Chucks. Der Hund hatte ein Halstuch umgebunden, ich glaube, es waren Jagdmotive drauf.

So fuhr ich also eine zeitlang durch die Gegend (nein, ich hörte nicht die Titelmelodie von "Der Mann aus den Bergen", warum ist mir das damals nicht eingefallen?) und schließlich fand ich einen Wald. 

So einen richtigen, mit Bäumen, Wurzeln und Waldwegen. Ohne Parkbänke, Wegweiser und ganz und gar ohne Kiosk. (Eigentlich mit nicht viel mehr als Bäumen, Bäumen und Bäumen.)

Ich parkte das Auto (im Wald, es gab keinen Parkplatz) und stiefelte los. (Der Hund sah mich ein wenig entsetzt an. Er war ein Leben unter Cafe'tischen gewöhnt und artiges Warten an Kaufhauskassen.)

Wir gingen eine Weile, mal dahin, mal dorthin, den linken Weg, den rechten Weg und irgendwie weiter.

Zeit für unsere Vesperpause (ich hatte den Begriff dafür nachgeschlagen - nein, nicht wirklich), wir suchten uns einen Baumstamm und ich verteilte unsere Mahlzeit gerecht. (Außer das Snickers, das war nur für mich.)

Mh. Und jetzt?

Ich schaute auf die Uhr, es mußten schon Stunden vergangen sein. Eine Stunde. Eine Stunde? Ok, das wird ein langer Tag. (Zurück konnte ich nicht, schließlich hatte ich allen erzählt, welch abenteuerlustiger Mensch ich war) Also weitergehen.

Weit und breit kein Mensch. (Was waren das für Geräusche da hinten?) Keine Sorge, schließlich war ich mit Hund unterwegs, was sollte mir da schon passieren? (Zur Erinnerung: Cafe'tische und Kaufhauskassen...)

Und langweilig war das. Bäume, Bäume, Bäume.

Und alle in der gleichen Farbe. Wenig abwechslungsreich. Überhaupt, die Wege sahen auch alle gleich aus. Nö, keine Lust mehr.

Also zurück. Zurück? Wo war zurück? (Hätte ich mir doch bloß dieses tolle Outdoor-Tool bei Jack Wolfskin gekauft, mit Kompass....)

Ich ging den Weg wieder zurück, nach links und rechts und links. Oder war es rechts und links und rechts? Ein klein wenig Panik....(Panik? Ich? Tsss, ich bin selbst in Washington DC alleine zurecht gekommen, da kann mich so ein Wald mal...(Entschuldigung))

Der Hund konnte den Weg auch nicht finden (Kaufhauskassen, Cafe'tische) und blieb einfach irgendwann mitten auf dem Weg stehen. Also erstmal Pause machen. Wasser trinken. (wir alle beide) Essen war all.

Wurde es nicht langsam dunkel? Nur keine Panik. 
Alles halb so wild, da vorne steht das Auto. Nichts wie rein und raus hier aus der Wildniss. (2 km von der Stadt entfernt, wirklich  s e h r  gefährlich)

Zuhause angekommen waren wir beide völlig erschöpft, bestellten uns eine Pizza und einigten uns darauf, die nächsten Abenteuer lieber bei National Geographic zu erleben.

Das ist schon alles ein paar Jahre her. Seitdem hat sich viel verändert. Ich habe ein anderes Verhältnis zur Natur bekommen, die Bäume sehen nicht mehr gleich aus, ich sehe all die Blumen und Pflanzen, kann ein paar Waldvögel benennen und mich besser orientieren. (Solange ich GPS-Empfang habe, mein Iphone bringt mich von  ü b e r a l l  nach Hause...)

Der Wald grenzt nun an unsere Haustür und ich liebe es, ihn zu erkunden. Ich liebe die Muster, die das Licht macht, wenn es durch die Bäume schwirrt, ich mag das Rascheln der Blätter und den Duft, den der kleine Bach hat.

Wir sind fast jeden Tag im Wald und entdecken immer wieder neue schöne Dinge, die uns vorher nicht aufgefallen sind.

So werde ich zum Landmensch, der sich ein wenig auskennt mit den Orten und Dingen. Ich habe keine extra Landkleidung mehr (aber welche für die seltenen Besuche in der Stadt) und brauche auch keine Tasche mit Proviant und noch weniger einen Parkplatz.

Listen mache ich immer noch. Sie unterscheiden sich nicht so sehr von dieser einen Liste. Ich plane einen Tag in der Stadt. (Und suche schon nach den passenden Accesories...)

Anmerkung auf Sam`s Wunsch: Bei dem Hund in dieser Geschichte handelt es sich nicht um Sam, sondern um seinen Vorgänger. Er war zwar auch ein Golden Retriever, hat sein Leben aber in der Stadt verbracht und war glücklich damit. Enten, Eichhörnchen und Kaninchen fand er eher gruselig, aber er liebte es, mit in die Umkleidekabinen der Kaufhäuser zu kommen und U-Bahn zu fahren.

8 Kommentare:

  1. Lieber Markus...

    HERLLICH dieser Post! Ja diese Stadtmenschen! Sie kaufen sich extra Kleider um im Wald spazieren zu gehen und schleppen auch noch ihren armen, an die Stadt gewöhnten Hund mit!!! Tja... kopfschüttel... :)

    Ich habe vor vielen Jahren auch eine solche Stadt-Land-Metamorphose 'durchgemacht'! Heute gerate ich,auf den Waldspaziergängen mit dem Hund meines Kollegen, nicht mehr (Betonung auf NICHT MEHR) in Panik wenn es irgendwo zwischen den Bäumen raschelt. Dann schaue ich aufmerksam und neugierig wer oder was denn da so 'raschelt'! Ein Eichhörnchen... ein Vogel oder vielleicht ein kleiner Nager? Kaspar (der Hund) gerät dann immer sehr schnell in Jagdlaune und muss festgehalten werden. Er hat immer das Gefühl, dass er den Eichhörnchen nachklettern oder mit den Vögeln auf die Bäume hochfliegen kann. Wahrscheinlich lebte er in einem früheren Leben selber auf einem Baum!

    So... nun ziehe ich meine Wandschuhe an (übrigens keine spezielle Marke :) ) und gehe mit Kapsar in den Wald... herrlich so am frühen Morgen wenn der Tag noch jung ist... :)

    Ich wünsche dir für den heutigen Tag auch einen erfrischenden Waldspaziergang zusammmen mit Sam.

    Liebe Grüsse
    Cornelia

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  2. Hallo Markus
    Eine schöne Geschichte....
    Ich liebe den Wald und die Natur...als Kind war ich schon viel im Wald unterwegs und heute wohne ich drinn.
    Aber in der Stadt fühle ich mich auch wohl nur wohnen möchte ich dort nicht.

    Liebe Grüße von Katrin

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  3. Hallo Markus,
    DU bist ICH...;)..mit ALLEM ,WAS und WIE du das geschrieben hast. Nur ist es hier ein Schäferhund und der Wald ist mini verlaufen ausgeschlossen ;)...Das Problem ist,nach ein paar Jahren,geht es dir bei deinem Stadt Besuch so....Häää?? Wie?? War das schon immer so?? Wo ist mein Lieblings Laden geblieben??? War der nicht GENAU hier???? Wo war gleich das Auto?? Nur das "sich alleine in den METROPOLEN zurechtfinden"..das bleibt...Hoffe ich (in Chicago diesen Herbst)zumindest...,)
    liebe
    Grüße
    Sonja

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  4. Moin Markus!
    Habe deine heutige Geschichte sehr amüsiert gelesen - aber eine tolle Idee das mit der "Tages-Liste"!
    Gut, dass mich keiner (fast keiner) auf meiner morgendlichen Waldrunde sieht! Noch den Matsch von Gestern an den Stiefeln, keine Wolfspfote auf der Noname-Jacke gestickt - aber Leckerlies in den Taschen und in der "Handytasche" den Knipskasten.
    Dafür ist der kleine Wald auch sehr überschaubar und im Funkloch leben hat auch seine Vorteile.
    Ja - die Bäume sehen mit der Zeit recht unterschiedlich aus und man/frau entdeckt auch noch bei der zigsten Wiederholung der Hunde-Runde etwas Neues.
    LG Jutta

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  5. lieber markus,
    du hast einen sehr schönen humor :)
    du solltest für den wochenendteil einer zeitung schreiben !!
    ohne "schleichwerbung(en)" wäre dein post noch sympathischer.
    deine fotos sind fantastisch !! :)
    herzliche grüße, elvi

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  6. Lieber Markus,
    jetzt wird es aber Zeit daß ich dich auf meinem Blog verlinke damit ich keine deiner Geschichten mehr verpasse - das geht gar nicht. Ich danke dir für deine amüsanten Zeilen.
    Liebe Grüße
    Elvira

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  7. Vielen Dank!
    Beruhigend, daß viele diese Erfahrungen machen. (und wir alle darüber lachen können...)

    Die "Schleichwerbung" meint nicht die Marken, sondern das Image und den Lebensstil, den sie verkörpern und die Wichtigkeit, die dies alles für mich hatte ;-)

    Für eine Zeitung schreiben? Gerne doch!

    Habt alle einen schönen Waldspaziergang mit eigenen (und geliehenen) Hunden! (oder alleine)

    Liebe Grüße,

    Markus

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  8. hallo Markus

    auch meine Tochter hatte heute ein Erlebnis im Wald, dass sie mit Sicherheit nicht mehr vergißt.
    Es gibt in unserer Nähe, ein Wäldchen mit einem angelegten Wildschweingehege und ein paar Rehe, doch für einen kleinen Spaziergang mit Kindern sehr schön. Doch sollte man seinem Sohn (16 Monate) kein SChlüsselbund geben. Dreimal sind sie den gleichen Weg abgegangen, doch leider ohne Erfolg. Sämtliche Schlüssel (Firmenschlüssel, Wohnungsschlüssel und natürlich auch die Autoschlüssel) sind futsch.
    Auch das können Walderinnerungen sein - lach -

    LG
    Dagmar

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